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Dorfgeschichten und Sagen


Dorfjugend darf heimlich rauchen bei “Tantes Pett”

Friedrich Saure aus Goldhausen erinnert sich an seinen Nachbarn Fritz Schäfer

Das bescheidene Anwesen von "Tantes Pett"

Das bescheidene Anwesen von “Tantes Pett” in Goldhausen: ein einfaches Fachwerkhäuschen mit alten Ziegeln auf dem Dach, daneben der Holzstall, ein schmaler Garten. (Fotos: pr)

Korbach-Goldhausen.
Fachwerk-Katen mit kleinen Gärten – dort waren in der Regel die armen eines Dorfes zu Hause. Sie gab es auch noch in den ersten drei Nachkriegsjahrzehnten, als noch Knechte und Mägde im Dienst von Großbauern standen und Tagelöhner ihr auskommen suchten. Doch die “soziale Marktwirtschaft” bescherte auch auf dem Land den meisten mehr oder weniger Wohlstand, Armut wurde zur Ausnahme. Malermeister Friedrich Saure schreibt über seinen Nachbarn in Jugendjahren, Fritz Schäfer, genannt “Tantes Pett”. Er gehörte zu denen, die früher Unterstützung von der Gemeinde bekamen.

Tantes Pett. Für viele sicher ein seltsamer Name, der ihnen nichts sagt. Aber für einige alte Goldhäuser ist er ein fester Begriff. Unweit unseres alten Hauses stand ein kleines, fast zerfallenes Häuschen, in dem wohnten Tante und Pett. Früher war es so, dass unverheiratete Frauen, besonders im Alter, von allen Tante genannt wurden. Und ein unverheirateter Mann, das war ein Pett. Das kommt sicher von Petter her, dem Mundart- Wort für Pate.

Und so lebten also die Tante und ihr unehelicher Sohn Fritz gemeinsam in diesem Häuschen. Daher war der Fritz “Tantes Pett”. Die beiden hatten bis an ihr Lebensende nur ein gemeinsames Bett. Die Mutter hieß Luise Schäfer und ihr Sohn Fritz, der Pett, das war der Fritz Schäfer. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ihn einige ältere Leute Schöneweiß nannten. Ein Schöneweiß war wohl als Vater im Gespräch. Da wurde er fuchsteufelswild, denn mit dem wollte er nicht in Verbindung gebracht werden.

Nun zum Haus. Da befand sich hinter der Haustür ein kleiner Eingangsflur mit einem besteigbaren Kamin. Dann kam man in einen Vielzweckraum, Wohn-Ess-Schlafzimmer, Küche und Waschraum. Das Mobiliar bestand aus einem Tisch, zwei Truhen, einem Bett und einem gusseisernen Kachelofen. Um den wurde das Brennholz zum Trocknen gelagert. Dann gab es noch einen kleinen Abstellraum, unter dem sich, mit Holzlatten abgedeckt, ein kleiner, ein Meter tiefer Kartoffelkeller befand. Auf der Rückseite des Hauses waren die “Toilette” angebaut – ein Lattenverschlag – und einige Kaninchenställe mit Lüftungsklappen, handwerklich sehr gut ausgeführt. An der Seite waren zur Abstützung einige Ziegelsteine und exakt behauene Bruchsteine gestapelt. An der Straßenseite waren aus dem gleichen Grund einige Stützpfosten aufgestellt.

Hobelbank im Stall

Nach Südwesten schlossen sich ein kleiner Garten und zwei Holzställe an. Dabei muss ich noch erwähnen, dass in einem eine Art Hobelbank eingebaut war. Dort wurden einige Anfertigungen und Reparaturen für uns Kinder ausgeführt. Es dauerte manchmal sehr lange, bis er tätig wurde, aber für uns hatte er immer ein Ohr.

Nun aber zurück zu Tantes Pett. Er war 1890 mit den kaiserlichen Truppen an der Niederschlagung des “Boxeraufstandes” in China beteiligt. Und nicht nur das machte ihn für uns Kinder so interessant. Er hat es fertiggebracht, die Spannung auf seine Reisekiste bis zu seinem Lebensende hochzuhalten und noch zu steigern – er nannte sie nur die “Hongkong- Kiste”. Wir hatten alle möglichen Überraschungen erwartet, deshalb waren wir bei der Öffnung schon etwas enttäuscht: Diese Kiste enthielt eine kleine Schlange, eine Art Blindschleiche, einen Chinesenzopf und einige Bilder. An mehr kann ich mich nicht erinnern.

Während des Zweiten Weltkrieges war Verdunkelung vorgeschrieben, deshalb hatte er ein paar alte Lappen vor die Fenster gehängt. Eines hat er nach Ende des Krieges wieder etwas geöffnet, das andere ist bis zum Abriss des Hauses verdunkelt geblieben.

Schwarzes Zimmer

Unser erster Lehrling, Helmut Schäfer aus Goddelsheim, hatte ihm, etwa 1954, mal angeboten, das Zimmer weiß zu machen. Seine Antwort war: “Du dummer Junge, ich habe doch gerade erst neu schwarz gemacht!” So war er eben, der Pett.

Es gab einige feste Rituale bei Tante und Pett. Abends wurde der Kaffee für den anderen Tag gekocht – natürlich Malzkaffee, Bohnenkaffee konnte sich damals ja noch keiner leisten. Und der wurde grundsätzlich kalt getrunken. Ich sehe heute noch die weiße Emaille-Kanne auf dem Tisch stehen.

Das Anmachholz für den Ofen wurde im Wald geholt und gebündelt, und zwar in den dichteren Fichtenbeständen die bereits am Stamm getrockneten Äste. Das war dann schon eine größere Aktion. Manchmal wurden auch Eier gebacken, mit Mehl verlängert und mit Lauch aus dem Garten gewürzt. Da haben wir Kinder auch gern mal probiert, aber das durften unsere Eltern nicht wissen.

Die beiden aßen meistens Brot und Speck – einfach, billig und gesund. Wir mussten als Kinder oft auch Reste von uns rüberbringen.

Mir ist es heute noch ein Rätsel, wie die beiden ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Die Tante bekam von der Gemeinde etwas Sozialgeld. Wir mussten das jeden Monat beim Gemeinderechner Karl Schüttler abholen. Ich meine, es wären damals so um die zwölf Mark gewesen.

Pett hat auch manchmal gearbeitet – als Zimmermann, Steinmetz oder als Dreher bei der Firma Schmal in Lelbach, die während des Zweiten Weltkrieges Panzerräder gedreht hat. Er war sehr geschickt und nicht dumm, aber leider nicht zuverlässig. Ab und zu kam der Inhaber Schmal mit dem Fahrrad nach Goldhausen und guckte, ob der Fritz nicht mal wieder kommen wolle.

Gewissenhaft beim Dreschen

Fritz Schäfer alias Tantes Pett
Fritz Schäfer alias Tantes Pett

Fritz Schäfer aus Goldhausen. Der Veteran der kaiserlichen Armee schlug sich als Gelegenheitsarbeiter durch.

Oft wurde er auch beim Dreschen eingesetzt, als Einleger, der die Aufgabe hatte, die Fruchtbunde möglichst gleichmäßig in die Dreschmaschine einzugeben. Eine Arbeit, die er sehr gewissenhaft ausgeführt hat. Aber nicht bei allen, nur bei denen, die ihn beim Schlachtefest nicht vergaßen.

Es war so Sitte geworden, dass der größte Teil des Dorfes den beiden vom Schlachtefest etwas brachte, und die das nicht taten, hatten schlechte Karten bei ihm. Sehr schlechte. – Ich kann mich noch daran erinnern: Als seine Mutter gestorben war, ist meine Mutter mit der Nachbarin ins Haus gegangen, und sie haben die Leiche zurechtgemacht.

Oft war beim Pett der Treffpunkt der männlichen Dorfjugend. Bei ihm durften die Burschen rauchen und auch schon mal mit einem kleinen Kleinkaliber- Gewehr auf Spatzen schießen. Welchen Jungen hätte das damals nicht gereizt?

Spannend waren auch die Geschichten, da hatten die beiden eine rege Fantasie. Auch die Geschichten vom Ersten Weltkrieg und der englischen Gefangenschaft, in die er geraten war. Pett war Kommunist. Das war im “Dritten Reich” nicht ganz ungefährlich, aber im Dorf hat ihn keiner denunziert. Als Religion gab er “gottlos” an.

Eines Tages, es muss so Anfang der Sechzigerjahre gewesen sein, hatte er sich ein Bein gebrochen. Er machte keinen guten Eindruck, und wir hatten schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Deshalb wurde eine Nachtwache organisiert. Die erste Schicht bis Mitternacht übernahmen die Nachbarn Friedrich Behle und Friedrich Zimmermann. Die zweite Schichte bis zum anderen Morgen übernahmen Heinrich Zenke senior und ich.

Ins Krankenhaus

Am anderen Morgen war er schon wieder besser drauf, er sagte: “Ich habe alles mitgekriegt, was ihr über Nacht gesprochen habt.” Durch Zufall entdeckten wir unter seinem Kopfkissen einen kleinen Trommelrevolver, den wir ihm abgenommen haben. Ich konnte nicht widerstehen und habe später mal einen Schuss damit abgefeuert. Das Ergebnis war ein total aufgeplatzter Lauf. Es blieb keine andere Wahl, der Pett musste nach Korbach ins Krankenhaus, wo er sich ganz wohlgefühlt hat.

Die Probleme tauchten erst auf, als er nach seiner Entlassung wieder in sein Haus gebracht werden sollte. Bei einer Inspektion stellte der damalige Bürgermeister Heinrich Zenke fest, dass es nicht möglich sei, in dem Haus zu wohnen. Überall hatte es durchgeregnet, auf dem Tisch wuchs Schimmel. Der eingeschaltete Amtsarzt aus Korbach hat nach einer Besichtigung eine sofortige Einweisung in das Altenpflegeheim im Rhoder Schloss angeordnet. Für die letzte Nacht in Goldhausen haben wir ihm ein Bett in unserem Haus zur Verfügung gestellt. Nun war er also in Rhoden, ich denke, dass er dort noch einige schöne Jahre verbracht hat.

Post aus Rhoden

 Fritz Schäfer im "Sonntagsstaat"
Fritz Schäfer im “Sonntagsstaat”

Fritz Schäfer im “Sonntagsstaat”. Friedrich Saure schätzt ihn als “außergewöhnlichen Menschen”. (Fotos: pr)

Ab und zu bekamen wir auch Post von ihm, manchmal mit seltsamem Inhalt. Einmal schrieb er zum Beispiel: “Gestern war er wieder da, der schwarze Himmelspilot” – er meinte den Pfarrer. Dann schrieb er mal: “Ich bete immer: Lieber Vater, der Du bist im Himmel und an allen Ecken, Du siehst doch, wie’s mir geht, drum lass mich bald verrecken.”

Es war uns auch nicht immer so ganz angenehm, weil er offene Postkarten schrieb. Aber wir haben den Kontakt bis an sein Lebensende aufrechterhalten. Ich habe ihn jedes Jahr einmal nach Goldhausen geholt, immer an Fronleichnam. Da hat er sich schon lange vorher drauf gefreut. Er saß schon reisefertig auf der Bank.

Goldhäuser Original stirbt im Rhoder Altersheim

Obwohl er ja wirklich kaum etwas zur Verfügung hatte, für meine jüngere Schwester Erika hatte er immer einige kleine Überraschungen in der Hand, mal einen Bleistift, Buntstifte oder Radiergummi. Ja, unsere Erika, die hatte schon die letzten Jahre ein bisschen Einfluss auf ihn. Sie durfte sogar mit Vahlands Rosemarie sein gesamtes Bettzeug ausräumen und im Steinbruch verbrennen und das Bett wieder neu herrichten.

“Zu Lehrzwecken”

Eines Tages kam dann der Anruf beim Bürgermeister, dass der Fritz Schäfer in Rhoden gestorben sei. Ob in Goldhausen jemand Wert darauf lege, dass er dort beerdigt würde, fragten sie. Andernfalls käme er zu Lehrzwecken zur Universität nach Marburg. Und so ist es dann auch gelaufen.

Das Ende vom Haus "Tantes Pett"
Das Ende vom Haus “Tantes Pett”

Nach dem Tode Fritz Schäfers riss die Nachbarfamilie Saure das Häuschen ab, um Platz für einen Neubau zu gewinnen – was sich als gar nicht so einfach erwies.

Schon zu Lebzeiten haben wir mit ihm über den Fall seines Todes und der Beerdigung gesprochen, weil er ja von der Kirche und dem Pfarrer nichts wissen wollte. Was solle dann werden, wenn? Seine Antwort lautete: “Dann könnt ihr mich ja mit dem Misthaken irgendwo einkratzen.” Sicher eine makabre Antwort eines außergewöhnlichen Menschen.

Wer eigentlich Eigentümer des Häuschens war? Ich nehme an, die Gemeinde. Der gehörte jedenfalls der Grund und Boden. Den konnten wir dann erwerben und bebauen. Wir hatten angenommen, es wäre leicht, das bereits überall abgestützte Häuschen einzureißen. Aber unser Nachbar Willi Zimmermann hat es mit seinem Trecker, einem Hanomag, nicht geschafft. Wir mussten es Stückchen für Stückchen abbauen.

WLZ – im Februar 2011


Diese Sage mag eine Erklärung dafür sein, dass die Goldhäuser scherzweise die “Goldhäuser Höpper” (Frösche) genannt werden.

DER GOLDHÄUSER TEICH (M. Schmalz)

Auf dem Eisenberge stand in alter Zeit ein Schloss, das von einem mächtigen König bewohnt wurde. Einst kam ein Zauberer in Zwerggestalt zu ihm und sagte: “Wenn Du mir den Teich verpachten willst, der unterhalb deines Schlosses bei Goldhausen liegt, gebe ich Dir jedes Jahr als Pachtzins ein Fuder Gold.” Gern ließ sich der König auf den Handel ein.

Gold pexels.com

Mit Staunen sah er nun, wie der Zauberer aus der Tiefe des Teiches ungeheurere Mengen Gold herausholte. Er erhielt zwar jedes Jahr den ausgehandelten Anteil und häufte das funkelnde Metall in einem großen Gewölbe im Innern des Eisenberges an. Aber das war ihm nicht genug und er dachte neidisch: “Es ist doch nur ein geringer Zins, den mir der Zwerg von seiner Fülle abgibt”, und kündigte den Vertrag. Aber Erpo, so hieß der Zwerg, ließ sich auf nichts ein und behielt den Teich in seiner Gewalt.
Da sandte der König Ritter aus, die ihn fangen oder töten sollten. Jedoch der Zauberer war unerreichbar. Sah er seine Feinde herankommen, so verwandelte er sich rasch in einen großen Frosch und sprang in das Wasser. Wenn jemand sich auf einem Kahn näherte, schwamm der Frosch unter den Kahn und warf ihn um. Der König erließ nun einen Aufruf: “Derjenige Ritter, der den Zwerg in seine Gewalt bekommt, sei es tot oder lebendig, soll drei Jahre lang die Einkünfte des Goldteiches als Belohnung erhalten und außerdem eine goldene Krone, die so fein geschmiedet ist, dass sie alle Kronen an Schönheit übertrifft.”

Zwerg pixabay.com

Es kamen auch viele Ritter, aber als Erpo ein paar von ihnen in das Wasser geworfen hatte – nur wenige hatten in ihrer schweren Rüstung das Ufer wieder erreichen können, die anderen mussten elend ertrinken – wagte sich keiner mehr in den Bereich des Zwerges.

Eines Tages kam ein junger Königssohn vom Rhein, dem seine Eltern früh gestorben waren. Böse Vettern hatten von dem Königsthron Besitz ergriffen und den Knaben in ein fernes Kloster gesteckt. Als ihn hier nach einigen Jahren die Mönche zwingen wollten, Priester zu werden, war er entflohen.
Er besaß keine Rüstung, sondern nur ein Schwert. Das hatte er sich gegen ein Amulett, das er seit seiner Kindheit am Halse trug, auf seiner Flucht aus dem Kloster bei einem Waffenschmied eingetauscht. Er hatte den Mut seiner Vorfahren geerbt und es gelernt, das Schwert zu schwingen, denn in jener Zeit wurde auch das Waffenhandwerk in den Klöstern gepflegt.
Von dem Aufruf des Königs war auch die Kunde zu ihm gedrungen, und er versuchte nun, den Unhold des Teiches zu bezwingen. Ohne Rüstung, nur mit seinem Schwerte bewaffnet, fuhr er auf einem ausgehöhlten Baumstamm nach der Hütte Erpos, die auf einer kleinen Erleninsel des Teiches stand. Kaum hatte er sich der Insel genähert, da fuhr auch schon der Zwerg aus seiner Hütte heraus und stürzte sich ins Wasser. Im nächsten Augenblick kippte der Kahn des kühnen Angreifers um. Der Jüngling war aber ein guter Schwimmer, auch hinderte ihn keine Rüstung, und so schwamm er unbeirrt der Hütte zu. Als dies der Zwerg sah, gebrauchte er Zaubergewalt und verwandelte den Königssohn in einen Schwan. “So”, sagte er, “nun bleibst Du auf meinem Teiche, jetzt habe ich vor Dir Ruhe.”

Der arme Königssohn musste nun als Schwan weiterleben. Sein Schwert lag auf dem Grunde des Teiches. Er hätte es wohl durch Tauchen heben können, aber es konnte ihm ja nichts mehr nützen.

Da sah der verwandelte Königssohn eines Tages, wie ein wunderschönes Mädchen von dem nahen Goldhausen herkam und nach dem Schlosse auf dem Eisenberg ging. Es brachte frische Beeren dorthin, die der König liebte, und wofür er jeden Bringer reichlich lohnte. Als das Mädchen zurückkam, sah es den schönen Schwan. Es lockte ihn heran und warf ihm einige Stückchen Kuchen zu, die es im Schlosse gekommen hatte. Der Schwan schwamm herbei und holte sich die Brocken.

Dies wiederholte sich nun täglich, und der Schwan wurde immer zutraulicher.

Einmal, als das Mädchen wieder dem Teiche zuging, um seinen Freund zu besuchen, flog von einem nahen Baum ein Rabe auf und krächzte. Da, als er den Schnabel auftat, fiel etwas Schimmerndes zur Erde. Das Mädchen hob es auf und bewunderte es, konnte es aber nicht begreifen, was das seltsame Ding, das an einem güldenen Kettchen hing, zu bedeuten hatte.

Goldkettchen pixabay.com

Unterdessen war es an den Teich gekommen, und da der zutrauliche Schwan ihm bis ans Ufer entgegen schwamm, hing es ihm das Kettchen aus Spielerei um den Hals. Auf einmal stand der Königssohn vor ihm. Er war jetzt von dem Zauber befreit, denn das Ding, das ihm das Mädchen umgehängt hatte, war sein Amulett, das der Waffenschmied gestohlen hatte. Und dieses Amulett hatte die ihm bis dahin unbekannte Eigenschaft, gegen alle Zauberei zu schützen. Der Königssohn dankte seiner holden Befreierin und bat sie, eine kurze Weile zu warten. Dann tauchte er unter, holte sein Schwert aus der Tiefe des Teiches und schwamm der Erleninsel zu.

Der Zwerg schlief gerade, erwachte aber, als der Königssohn mit dem Schwert in der Hand in seiner Hütte stand. Er sah sofort das Amulett und wusste gleich, dass er nun keine Gewalt mehr über ihn hatte. Er warf sich auf die Knie und verlegte sich aufs Bitten. Aber sein Gegner hörte ihn nicht an, sondern stieß ihn das Schwert in das böse Herz.

Dann ging er zum Königsschlosse und zeigte seinen Sieg an. Der König war sehr erfreut, als er den Zwerg tot sah, und gab dem Königssohn den versprochenen Lohn. Dieser setzte die Krone seiner treuen Freundin aufs Haupt und fragte sie, ob sie seine Königin werden wollte. Das Mägdlein willigte ein und als sie Hochzeit gehalten hatten, zogen sie an den Rhein. Unterwegs warb er sich ein Heer und, da er Geld genug hatte, es auszurüsten, zog er gegen seine Vettern in den Krieg, besiegte sie und kam dadurch wieder in den Besitz seines väterlichen Erbes.

Aber als der König auf dem Eisenberge in dem Goldhäuser Teich nach Gold graben ließ, war der Ertrag lange nicht so groß wie bei Erpo. Der Zwerg allein wusste die Goldader und hatte sein Geheimnis mit ins Grab genommen. Mancher hat seitdem dort nach Gold gesucht, aber keiner hat je etwas gefunden.


DAS MÄRCHEN VON GOLDHAUSEN

Die Goldhäuser Wichtel sind kleine Leut’ und wohnen nicht vom Dorfe weit – im Eisenberge. Sie kommen hervor, wenn das Wetter klar, bald sichtbar und bald unsichtbar in Sternennächten.

Sie planschen vor’m Stollen im Wässerleinund bleichen die Wäsche wie Schnee so rein im Mondenscheine. Man sieht sie nicht kochen, doch blauen Rauch und hört im Berge ihr Stimmchen auch – Musik und Singen. Oft klingen die Fiedeln und singt ein Chor. Wipp, schlüpfen sie aus dem Berg hervor zum Ringeltänzchen. Und ringeln dort hin und ringeln dort her,als wenn bei ihnen eine Hochzeit wär auf grünen Matten.

Im Winter, wenn da Eis unten im Teich, dann kommen sie auf Schlittschuhen gleich und schieben Kegel. Purr! Schnurrt dann die Kugel und fällt was um,so bleibt das kleine Volk nicht stumm – Schrein: Alle Neune! Die Kegel, die Kugel, die sieht man dortdoch nicht die Leutchen am selben Ort, nur Schlittschuhblinken. Man sieht das Blinken und Spur hingehen, manch’ zierliche Eisfigur entstehen; die können Künste. Fällt einer und fällt sein Käppi vom Kopfdann sieht man liegen den armen Tropf und hört ein Lachen.

Sie backen Kuchen mit süßem Kern; den essen die Goldhäuser Kinder so gern. “Gebt Kuchen, Kuchen!” Und wenn auch kein’s ein Wichtel sah;doch liegt auf einmal ein Kuchen da mit süßem Kerne.

Man sagt um Mittag schlafen sie fest, da krochen einst hinein in ihr Nest zwei kleine Mädchen.

Die fanden dort ein glitzernde Pracht, die Kammern aus Edelstein gemacht und Betten von Seide. Die fühlten sich an, wie Flaum so weich. Die Wichtel liegen drin wie im Himmelreich Und schlafen selig!

Ihr König, der Alte, der schlief so fest, dass eins der Mädchen sich locken lässt: Nimmt eine Kugel. Und läuft mit der Kugel stracks hinaus und läuft und läuft und kommt nach Haus und zeigt das Wunder.

Die Kugel von Golde war so schön, die ganze Welt war dran zu sehn in bunten Spiegeln. Man sah da hundert Fabelein, Meermänner, Riesen, Nixen und Feyn, mit Feuerdrachen. Und Ritterkampf und Ritterpreisund Liebeshistörchen tausendweis, ganz allerliebste! Kurz, aller bunten Zeiten Lauf, ja selbst Unmögliches war darauf. Schön wie Karfunkel.

Da gab’s ein Gucken, ein Wenden und Drehn, ein jeder wollte was anderes sehn. Und alle sprachen: Kind, wahre die Kugel, sie bringt dir Glück! Nein! sprach das Kind, ich trag sie zurück, zum Eisenberge.

Und lief schnurstracks in den Stollen hinein und setzt’ auf den Tisch aus Marmelstein die Kugel nieder; und wollte davon im vollen Lauf.

Da wachten die Wichtelmännchen auf und sah’n das Mädchen. “Was läufst du, lieb ehrlich Mädelein? Weil noch in unserem Hübelein, lass dir was schenken!”

Da gaben dem Kinde sie tausendviel, zuletzt ein wunderlich Saitenspiel, das klang gar eigen! Und als das Kind das Klimpern verstand, klimpimperten immer in seine Hand blitzblanke Taler.

Die Goldhäuser Wichtel sind wahrlich gut; doch leiden sie keinen Übermut, von keinem Menschen.

Ein Mann nahm mal das Stückchen Land und nahm nun Spaten und Hacke zur Hand und wollte graben. Und grub und grub mit vieler List ob da nicht Gold und Kupfer ist – er grub und hacket.

Und gräbt und hackt bald tiefer hinein da klingt es hohl, da hört er schrein: “0 weh.o wehe! – Du hackst in’s Dach, es fällt unser Haus! Es fällt auf uns!” – ” So geht doch raus!”- sagte der Bergmann.

“Mann! Es geht wohl keiner gern heraus, der lang schon gewohnt in einem Haus” – erklang’s da wieder. “Wir wohnten hier schon, eh man Bier gebraut, wir wohnten hier schon, eh Goldhausen gebaut; laßt uns in Frieden! Wir wohnten hier, eh ein Mensch noch kam und einen Baum aus dem Walde nahm; Laßt uns in Frieden!”

Sprachlos der Bergmann, der sich nicht kennt und rennt und rennt und rennt und rennt hinein zum Dorfe. Der Bergmann rennt im Dorf herum, doch niemand kümmert sich darum, die Bauern lachtenund sprachen: “Wir sehen nicht Rauch, nicht Schein, nicht Gold, nicht Kupfer, nicht Erzgestein, wohl ist’s versunken.”

Da stand und guckt und guckt der Mann und sah sein ganzes Bergwerk an und dachte, dachte. Es schien ihm, als wär es Geistertrug und Wichtelmännchens Rachefluch und lies das Graben.

Drauf rumpelte es so Tag und Nacht da sagt man, haben sie weggebracht Kisten und Kasten. Und Bäume wuchsen und Sträucher bunt, Himbeeren und Brommels für Kindesmund und Vöglein singen. Und Rehe springen und Hasen im Strauchund Ringeltänzchen tanzen nun auch alle die Kinder.

Die Wichtel trippeln und trappeln hinab und keiner lies seine Nebelkapp’ im Winkel liegen. Ein Liedlein, sagt man, sangen sie im Zieh’n, doch ganz entwichen sie nie: Es gibt noch welche! Und manchmal kommt ein Wichtel herausund wohnt bei guten Leuten im Haus: Sie tun viel Gutes.

Und nun Leute gebt immer hübsch acht! Kommt mal ein Wichtelchen ganz ganz sacht, so störe es nicht. Dann bringt es Dir Glück und Sonnenschein in Deinem trauten Hübelein, Bleib stets auf der Hut.

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